Warum machen wir das Projekt?
Um den Ansprüchen der postmigrantischen und diversen Gesellschaft in ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden, ist der öffentliche Kulturbetrieb seit ein paar Jahren in Bewegung. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit antidiskriminierenden Engagements steigt nicht zuletzt, weil von Diskriminierung Betroffene seit langem auf Missstände aufmerksam gemacht haben. Diversität, Intersektionalität, Betroffenenperspektive sind im Kulturbetrieb keine Fremdwörter mehr. Viele Museen und Theater sind daran interessiert, diskriminierende Strukturen abzubauen und sich vielfältiger aufzustellen. Doch oftmals hapert es daran, das verbreitete Diskurswissen auch in die Praxis umzusetzen. Die verfahrene Debatte um Antisemitismus auf der documenta 15 und die Reaktion einzelner Häuser auf öffentliche Kritik an kuratorischen Entscheidungen oder Besetzungspraktiken zeigt, dass es eine große Unsicherheit gibt, wie sich das Bekenntnis zur Vielfalt praktisch umsetzen und strukturell verankern lässt. Und zwar so, dass Rassismus- und Antisemitismuskritik zusammengedacht werden.
Genau hier kommt das Programm „(K)ein Kunststück – Diversität im Kulturbetrieb fördern“ der Bildungsstätte Anne Frank ins Spiel. Mit diesem Angebot möchte die Bildungsstätte Kulturinstitutionen bei der Umsetzung des ebenso komplexen wie notwendigen Unterfangens, Diskriminierungskritik und Diversitätsförderung nachhaltig in der alltäglichen Arbeitspraxis umzusetzen, unterstützen.
Was wollen wir erreichen?
Mit diesem Programm werden Leitungen und Mitarbeitende von Kultureinrichtungen nachhaltig unterstützt, den Bildungsauftrag in einer vielfältigen Gesellschaft multiperspektivisch und diskriminierungssensibel umzusetzen. Ein besonderer Fokus wird, entsprechend der Expertise der Bildungsstätte Anne Frank, auf dem kritischen Umgang mit Rassismus und Antisemitismus sowie den Wechselwirkungen mit anderen Diskriminierungsformen liegen.
Ziel es Programms ist es, mit individuell für die Einrichtungen abgestimmten Angeboten und durch eine mittelfristige Begleitung auf den gesellschaftlichen Bedarf zu reagieren, um notwendige Veränderungsprozesse auf interpersoneller und institutioneller Ebene zu realisieren.
Konzepte des Powersharings und Angebote zur Sensibilisierung für Diskriminierung bei allen Beteiligten sind zentrale Bestandteile des Programmes, um so diversitätsorientierte Öffnungsprozesse innerhalb der Institution anzustoßen und sowohl die Kultur des Miteinanders als auch das Wirken nach außen zu verändern: Das Risiko für Diskriminierung im Arbeitsalltag oder der Programmgestaltung sollen abgebaut, Zugänge geschaffen und strukturelle Veränderungsprozesse initiiert werden. Zusätzlich profitieren die fünf teilnehmenden Einrichtungen durch Vernetzung und Austauschformate untereinander.
Wie funktioniert das Projekt?
Die Teilnahme an „(K)ein Kunststück“ beginnt für die ausgewählten Kulturinstitutionen mit der Formierung einer eigenen Projektsteuerungsgruppe. Diese setzt sich aus Mitarbeitenden verschiedener Abteilungen und Hierarchien zusammen. Gemeinsam mit der Leitung und dem Projektsteuerungsteam erarbeiten wir anschließend passgenaue Maßnahmen zum diskriminierungskritischen Arbeiten und Powersharing. Das Wissen, welches wir während dieses Prozesses vermitteln, soll von den Mitarbeitenden anschließend im jeweiligen Arbeitsbereich praktisch umgesetzt werden.
Im Sinne des Powersharings arbeiten wir Potenziale und Ressourcen heraus, die Heterogenität anerkennen und gleichberechtigte Teilhabe nachhaltig fördern. Dabei nehmen wir sowohl die interpersonelle als auch die institutionelle Ebene in den Blick. Ein besonderer Fokus wird hierbei auf den Phänomenen Rassismus und Antisemitismus sowie den Wechselwirkungen mit anderen Diskriminierungsformen, beispielsweise dem Sexismus, liegen.
Entsprechend der gemeinsam identifizierten Handlungsbedarfe erarbeiten wir mit jeder Einrichtung einen individuellen Maßnahmenplan. Dabei können zum einen Aspekte der Organisationsentwicklung sowohl in der Verwaltung als auch in den künstlerischen, gestalterischen oder pädagogischen Abteilungen betrachtet werden. Zum anderen können jedoch auch Maßnahmen umgesetzt werden wie: Fortbildungen zum Umgang mit Diskriminierung im Arbeitsalltag, Beratung und die gemeinsame Entwicklung von strukturverändernden Maßnahmen beim Programm, dessen Vermittlung oder im Personalwesen.
Hinweis:
Die Teilnahme ist kostenfrei, erfordert aber zeitliche Ressourcen.
An wen richtet sich das Projekt?
Bis zum 15. Januar 2025 sind Kulturinstitutionen bundesweit dazu eingeladen, sich für die Teilnahme an unserem Programm zu bewerben.
Unser Angebot richtet sich an Institutionen in öffentlicher bzw. freier gemeinnütziger Träger:innenschaft mit institutioneller Förderung und einem regelmäßigen öffentlichen Programm. Dazu zählen:
Museen: Kunstmuseen, (natur-)wissenschaftliche Museen, Handwerksmuseen, Stadtmuseen, historische Museen und Museen zur Biografie oder dem Werk von bekannten Persönlichkeiten. Wichtig ist, dass diese über einen öffentlichen und regelmäßig zugänglichen Ausstellungsbereich verfügen.
Theater: eigenständige Theater für junges Publikum, Stadttheater, Theater in freier bzw. privater Träger:innenschaft und Gastspiel- bzw. Produktionshäuser mit regelmäßigem Programm
Tanzhäuser: Produktions- und Gastspielhäuser mit regelmäßigem Programm, keine Tanzschulen
Kulturzentren: gemeinnützig organisierte Veranstaltungsorte für Musik, Literatur, Tanz- oder Theaterveranstaltungen und Workshopangebote
Festivals: Musik, Tanz, Literatur, Bildende Kunst, Theater und Performance. Auch hier ist es wichtig, dass die Festivals regelmäßig stattfinden.
Es ist gewünscht, dass bereits erste Fortbildungen zur Sensibilisierung für Diversität, Diskriminierung, Rassismus oder Antisemitismus stattgefunden haben. Eine zwingende Voraussetzung zur Bewerbung und Teilnahme ist, dass die Hausleitung den Prozess inhaltlich und durch das Einräumen von Zeitressourcen und Freistellungen für interessierte Mitarbeiter*innen unterstützt.
Wo findet das Projekt statt?
Das Programm ist bundesweit ausgeschrieben und findet in Präsenz bei den ausgewählten Institutionen statt. Es gibt zusätzlich digitale Netzwerktreffen und Workshops für einzelne, interessierte Kunst- und Kulturakteur:innen.
Zur Förderung einer Kulturinstitution aus Baden-Württemberg kooperieren wir mit dem Zentrum für Kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg.