Internationale Vereinbarungen zur Begrenzung der Erderwärmung haben Konsequenzen für die Landnutzung: Gebiete sollen aufgeforstet, unter besonderen Schutz gestellt und restauriert werden. Doch allzu oft kommt es vor, dass dafür indigene Gemeinschaften und Kleinbäuer:innen vertrieben und entrechtet werden. Unsere Expertin Louisa Prause erklärt, warum die Rio-Konventionen hier gegensteuern könnten – und warum 2024 dabei entscheidend ist.
2024 ist nicht nur ein Superwahljahr für die Welt, es ist auch ein Superjahr für die internationale Klimapolitik. Zu allen drei großen internationalen Abkommen, die 1992 auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro beschlossen wurden, finden dieses Jahr Konferenzen statt: zur UNFCCC, der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, zur UNCCD, dem Abkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Desertifikation und zur UNCBD, dem Abkommen über die biologische Vielfalt.
Ein Aspekt, der alle drei Konventionen verbindet, ist die Frage nach der Nutzung von Land. In allen Szenarien, in denen wir die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad begrenzen können - was ein wesentliches Ziel der Klimarahmenkonvention ist -, brauchen wir Kohlenstoffsenken. Das sind zum Beispiel Wälder, die wiederaufgeforstet werden und so mehr CO2 absorbieren. Für den Schutz der Biodiversität, dem Ziel der UNCBD, brauchen wir ebenfalls große Flächen, die unter Naturschutz gestellt werden. Auch um die Wüstenbildung und Landdegradation zu verhindern, das Ziel der UNCCD, müssen wir die Nutzung von Land in den Blick nehmen und es anders bewirtschaften, zum Beispiel mit agrar-ökologischer Landwirtschaft.
Das Superjahr der Klimapolitik ist eine einmalige Chance, die Synergien zwischen den drei UN-Konventionen zu stärken und das Thema Land übergreifend zu bearbeiten. Denn eine ambitionierte Klimapolitik bedeutet auch eine ambitionierte Politik im Hinblick auf Landnutzung.
Land nachhaltig anders zu nutzen, birgt viele Chancen für den Klimaschutz, bringt aber auch Risiken mit sich. Problematisch ist insbesondere, dass Maßnahmen für den Klima- oder Biodiversitätsschutz die Landrechte indigener oder lokaler Gemeinden verletzen können. Beispielsweise vertrieben Unternehmen, die Zertifikate am internationalen Kohlenstoffmarkt handeln, in der Vergangenheit Bewohner:innen von ihrem Land, um dort industrielle Baumplantagen anzulegen. Das ist weder nachhaltig noch gut für die Biodiversität, noch respektiert diese Form von vermeintlichem Klimaschutz die Rechte der Landnutzenden.
Daten zeigen, dass Wälder und Biodiversität dort am besten geschützt werden, wo indigene oder lokale Gemeinschaften die Rechte über ihr Land haben. Weltweit liegt die Entwaldungsquote in Gebieten, in denen indigene Gruppen das Land verwalten und bewirtschaften etwa ein Fünftel niedriger als in anderen Gebieten. In einigen Regionen des Amazonas ist die Entwaldung sogar um etwa die Hälfte geringer.
Als Robert Bosch Stiftung setzen wir uns daher dafür ein, dass die legitimen Landrechte indigener und lokaler Gemeinschaften, insbesondere die Landrechte von Frauen, in der internationalen Klimapolitik gesichert und Frauen in die Gestaltung von Landpolitik einbezogen werden. Frauen sind in vielen Teilen der Welt diejenigen, die Land bearbeiten und sich darum bemühen, es für die nächsten Generationen zu erhalten. Zugleich haben sie jedoch bis heute häufig keinen gesicherten Zugriff darauf, da meist die Männer das Land erben und besitzen. Obwohl vier von fünf Landwirt:innen weltweit weiblich sind und Frauen die Hälfte unserer Nahrung produzieren, sind nur 20 Prozent der Landbesitzenden weiblich, so schätzen Studien.
Internationale Abkommen zu Klima- und Biodiversitätsschutz sowie Schutz vor Landdegradation müssen daher die komplexen lokalen Zugangs-, Kontroll- und Besitzverhältnisse von Land berücksichtigen. Denn Landrechte gilt es nicht nur bei legal und formal anerkanntem Eigentum zu berücksichtigen. Sie sollten auch kollektive Rechte und eingeschränkte Nutzungsrechte umfassen, wie das saisonale Weiderecht von Hirt:innen oder die Rechte von Langzeitpächter:innen auf Land, das sie seit Generationen bewirtschaften. Es gilt, legitime Land- und Nutzungsrechte anzuerkennen, zu respektieren und zu schützen, insbesondere die Zugangs- und Besitzrechte von Frauen.
Werden deren Rechte in der internationalen Klimadebatte anerkannt, kann dies auch positive Impulse für die nationalen Gesetzgebungen in verschiedenen Staaten setzen. Gleichzeitig kann es ein neuer Hebel für zivilgesellschaftliche Organisationen und lokale Gemeinschaften sein, ihre Rechte und ihre Selbstbestimmung über ihr Land zu verteidigen und einzufordern.
Wie können wir die Landrechte von Frauen stärken - und wie können wir die Rio-Konventionen dafür nutzen? Das war das Thema eines Treffens der Women's Land Rights Initiative, das wir von der Robert Bosch Stiftung zusammen mit dem Think Tank TMG Research sowie Vertreter:innen von UNCCD, UNCBD und UNFCCC veranstaltet haben. Lesen Sie den Bericht dazu – mit vielen Stimmen von Aktivist:innen weltweit.
Im Juni 2024 haben wir in der Robert Bosch Stiftung gemeinsam mit TMG Think Tank for Sustainability, den Sekretariaten der drei Rio-Konventionen, UNCCD, UNCBD und UNFCCC und zahlreichen internationalen NGOs und Grassroots -Organisationen beraten, wie wir die Landrechte von Frauen in den internationalen Rio-Konventionen zum Schutz des Klimas, der Biodiversität und dem Schutz vor Landdegradation sichern und die Transformation der Landnutzung sozial gerecht ausgestalten können.
Hier sind drei zentrale Erkenntnisse daraus: