Die Organisation denkhausbremen setzt sich für eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Zukunft ein. Hierfür holt der Verein Akteur:innen aller Gesellschaftsgruppen an einen Tisch, auch beim Thema Wohnen. Was entstehen kann, wenn Aktivist:innen nicht locker lassen, zeigt eine Entwicklung im Bremer Quartier Tenever.
„Wer kann sich das noch leisten?“ Das sind Worte, die man heute oft von Menschen auf der Wohnungssuche vernimmt. Denn die Mieten in deutschen Großstädten steigen rasant, Langzeitbewohner:innen werden aus ihren Nachbarschaften verdrängt und Neubauprojekte zunehmend auf Luxus ausgelegt. Wer eine Wohnung hat, hält an ihr fest. Der Wohnungsmarkt ist dicht, ein sogenannter „Closed Shop“, zu dem zahlreiche Menschen keinen Zugang mehr haben.
Auch in Bremen sind für viele die Mieten unerschwinglich. Die Organisation denkhausbremen setzt sich hier seit über einem Jahrzehnt für mehr Gerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt und für bezahlbaren Wohnraum ein. Dafür bringt denkhausbremen alle Akteur:innen an einen Tisch – von wohnungslosen Personen bis zu Politiker:innen.
„Wir möchten als Scharnier und Türöffner zwischen verschiedenen Akteur:innen wirken, die zwar gemeinsame Themen, aber ansonsten nicht viele Berührungspunkte miteinander haben“, erklärt denkhausbremen-Geschäftsführer Peter Gerhardt. „Es geht darum, das Nachdenken, Reden und Entscheiden über eine sozial gerechte Zukunft nicht nur privilegierten Menschen zu überlassen, die selbst nicht von Problemen wie Arbeitslosigkeit oder Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen sind.“
Der Kontakt über Milieugrenzen hinweg sei hierfür entscheidend: „Wir bringen unmittelbar Betroffene mit Politiker:innen, Behörden, Umweltschutzorganisationen oder Wohnungsbaugesellschaften an einen Tisch und ins Diskutieren auf Augenhöhe.“ denkhausbremen geht mit Forderungen rund um soziale Gerechtigkeit auch aktiv auf die Politik zu; formuliert werden sie auf Veranstaltungen wie dem denkhaus-Zukunftskongress im Juni 2023. Das Thema Wohnen stand da ebenfalls auf der Agenda.
denkhausbremen setzt sich seit 2013 für eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Zukunft ein. Mit dem Projekt „Das soziale 1,5-Grad-Ziel“, das von der Robert Bosch Stiftung gefördert wird, entwickelt die Organisation Leitlinien, damit bei Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele auch Aspekte der sozialen Gerechtigkeit berücksichtigt werden. Hierfür werden Aktionsbündnisse sowie Akteur:innen für Workshops und Diskussionsveranstaltungen zusammengebracht. Besonders die Bedarfe von Menschen mit wenig finanziellen Mitteln erhalten so mehr politische Berücksichtigung.
Denn längst ist das Thema Wohnungslosigkeit in Deutschland nicht nur für die geschätzt rund 600.000 wohnungslosen Menschen (Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V.), die teils dauerhaft auf der Straße leben, existenziell, sondern auch für Menschen aus der Mittelschicht. Es braucht also Vertreter:innen aus allen Bereichen der Gesellschaft, um Lösungen zu finden, damit sich der Wohnungsmarkt entspannt und die Teilhabe aller möglich wird.
„Das gilt vor allem dort, wo die Politik in den Kommunen, aber auch auf Bundesebene keine Lösungen anbietet und Versprechen für mehr bezahlbaren Wohnungsneubau nur schleppend oder gar nicht einlöst“, sagt Joachim Barloschky, Mitbegründer des Aktionsbündnisses Menschenrecht auf Wohnen in Bremen und Teilnehmer des 2023er Kongresses von denkhausbremen. Das Aktionsbündnis ist eine der Organisationen, mit denen denkhausbremen eng zusammenarbeitet, um sich für soziale Gerechtigkeit starkzumachen.
Welche Erfolge und welch ein Aufsehen Aktionsbündnisse generell erzielen können, zeigt eine Entwicklung im Bremer Quartier Tenever. Das 1970/71 als „Demonstrationsbauvorhaben“ errichtete Hochhausviertel galt lange als prekär und abgehängt. 8.000 Menschen aus 90 Nationen lebten hier auf engstem Raum, in teils heruntergekommenen Wohnungen und unter unzumutbaren Bedingungen. Doch das wollten die Anwohner:innen nicht länger hinnehmen: Sie organisierten sich, gründeten eine Initiative, machten mit Demonstrationen und Aktionen vor dem Bremer Rathaus auf sich aufmerksam, ließen den zuständigen Behörden und Politiker:innen keine Ruhe. Bald berichteten auch die Medien über den Kampf für ein lebenswertes Wohnviertel. Mit Erfolg: Über Jahre wurde Bremen-Tenever aufwendig saniert, Immobilienspekulationen wurden stärker reguliert.
Dass Tenever heute als buntes Vorzeigequartier wahrgenommen wird, hat der Stadtteil also seinen couragierten und entschlossenen Bewohner:innen zu verdanken. Aus vielen deutschen Großstädten lassen sich ähnliche Geschichten erzählen – und fast immer waren und sind es Initiativen von Bürger:innen, die einen Wandel eingeleitet haben. Sie können sich dabei auf Artikel 25 der UN-Menschenrechte berufen: Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der die Gesundheit und das Wohl für sich selbst und die eigene Familie sichert. Das schließt neben Nahrung und Kleidung auch eine Wohnung ein.
Mittlerweile gibt es in Bremen wieder einen höheren Anteil an Wohnungen mit sozialer Förderung: bei Neubauten werden 30 Prozent werden an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vergeben. „Außerdem hat die Landesregierung beschlossen, Immobilien nicht an Investor:innen zu verkaufen, sondern als Erbpacht auf 90 Jahre zur Nutzung zu übergeben. Eigentümerin bleibt weiterhin die Stadt, die damit die Kontrolle behält“, erklärt Joachim Barloschky. „Allerdings geschieht das erst in kleinem Umfang. Das ist noch ausbaufähig.“ Dass sich bei der Wohnungs- und Immobilienpolitik überhaupt etwas bewegt hat, ist ein Verdienst seines Aktionsbündnisses, das mit Beharrlichkeit, immer wieder neuen Aktionen, Demonstrationen, ermutigenden Gesprächsrunden und viel Medienberichterstattung die Wohnungspolitik zu einem Topthema der Stadt gemacht hat. „Beständig, laut und gut organisiert“ – für denkhausbremen steckt dahinter ein Baustein für den Erfolg von Aktionsbündnissen: Jede und jeder kann in der eigenen Stadt, im eigenen Wohnviertel etwas tun.
Wir stehen vor drängenden Gerechtigkeitsproblemen: Arm-Reich-Schere, globale Ungleichheit, Bildungszugang und Klimagerechtigkeit. Diese erfordern eine gerechte Ressourcenverteilung, Generationengerechtigkeit, Chancengleichheit und faire Umweltbelastungsverteilung. Gerechtigkeit formt uns und beeinflusst Entscheidungen. Lesen Sie hier, wie wir Projekte zur Schaffung von Gerechtigkeit fördern.