Ab sofort können sich Schulen für das Hospitationsprogramm an Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises bewerben. Schulleiter Helmut Klemm erzählt, was die Teilnahme am Programm für ihn so wertvoll macht.
Wie schaffen es manche Schulen, besonders erfolgreich zu sein? Was machen sie anders als andere? Mit dem Hospitationsprogramm an Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises können sich Lehrkräfte auf die Suche nach Antworten begeben. Die Teilnehmenden besuchen in Tandems fünf Tage eine Schule aus dem Preisträgernetzwerk. Helmut Klemm, Schulleiter der Eichendorffschule Erlangen in Bayern, erzählt im Interview, wie seine Schule von dem Programm profitiert, sowohl als besuchende als auch als besuchte Schule.
Helmut Klemm: Damals waren wir auf der Suche nach neuen Ideen. Wir wussten, dass wir die Eichendorffschule verändern wollten, doch der Weg war uns noch nicht klar. Wir hatten in Bayern als Mittelschule wenige Vorbilder, nach denen wir uns in unserer Schulentwicklung hätten richten können, denn das System ist stark hierarchisch und auf die Gymnasien fixiert. Also war die Suche nach Inspiration außerhalb Bayerns notwendig und so sind wir auf das Hospitationsprogramm gestoßen.
Für uns war das die Robert-Bosch-Gesamtschule in Hildesheim. Es ging uns nicht um ein spezifisches Konzept, wir suchten eher nach einer Schule, die ähnliche Herausforderungen und ein großes Portfolio an innovativen Ansätzen hat. Zwar hat eine bayerische Mittelschule auf den ersten Blick nicht so viel mit einer integrierten Gesamtschule zu tun, aber der Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft ist für beide Schulformen besonders wichtig.
Überwältigend, weil die Schule so ganz anders war als unsere. Es gibt dort 1.500 Schülerinnen und Schüler und folglich auch ganz viele Aktivitäten und Besonderheiten. Wir sind gar nicht mit einer bestimmten Zielsetzung rangegangen, sondern haben erst einmal alles auf uns wirken lassen und Augen und Ohren offengehalten. Die Eindrücke waren unglaublich vielfältig. Beeindruckend war schon allein die schiere Größe, die riesige Aula, ich erinnere mich an ein Terrarium mit Reptilien, oder an ein Projekt auf dem jüdischen Friedhof in der Nähe der Schule, bei dem die Schülerinnen und Schüler versucht haben, Nachkommen von den Verstorbenen zu finden. Gleichzeitig haben wir auch ganz banale Dinge gesehen, die uns zeigten, dass dort auch nur mit Wasser gekocht wird und bei uns an der Schule gar nicht alles so schlecht ist. Das motivierte auch, weil es uns bestätigte im eigenen Tun. Es ist wichtig, rauszugehen und einen Vergleich zu haben.
Ja. Als ich zum Beispiel an der Schulleitungssitzung teilgenommen hatte, war da von einem pädagogisch-didaktischen Gremium die Rede. Das fand ich hoch spannend, weil es eine neue Form der Beteiligung von Lehrkräften an Schulentwicklungsprozessen war. Später haben wir dann an unserer Schule ein ähnliches Gremium etabliert. Natürlich etwas anders, angepasst auf unsere Bedürfnisse.
Es geht um das Mitgehen, Miterleben und Eintauchen in ganz vielfältige Situationen und nicht um das Zurschaustellen von besonders tollen Errungenschaften. Die Offenheit und die Zeit sind wichtig, denn so stößt man auf Dinge, die man vielleicht vorher gar nicht auf dem Plan hatte. Einmal haben zwei unserer Kolleginnen zum Beispiel beim Hospitationsprogramm die Heinz-Brandt-Schule in Berlin besucht, ihr Schwerpunkt war ursprünglich der Kunstunterricht. Zurückgekommen sind die beiden mit einem neuen Ansatz von Teamstunden und kollegialen Hospitationen, den wir dann adaptiert haben.
Das ist ein langer Prozess. Es ist nicht so, dass man eine Idee sieht und diese dann eine Woche später an der eigenen Schule eins zu eins umsetzt.
Bei den Teamstunden und Strukturen zum Beispiel mussten wir zunächst Ressourcen dafür finden, die ja im bayerischen System neben den Unterrichtsstunden nicht vorgesehen sind. Wir haben uns gemeinsam entschieden, den Schülerinnen und Schülern eine Stunde wegzunehmen. Die Teamstunden finden jetzt montags von 8 bis 9 Uhr verpflichtend für alle Kolleginnen und Kollegen statt, die Schülerinnen und Schüler dürfen an diesem Tag eine Stunde später anfangen. Für die Jüngeren gibt es eine Betreuung. Für die kollegialen Hospitationen haben wir uns Unterstützung gesucht, und das dann im Rahmen eines einjährigen begleiteten Programms implementiert. Inzwischen sind wir einen Schritt weiter, die Teams sind etabliert und laufen gut. Wir wollen jetzt keine individuellen Hospitationen mehr, sondern entwickeln das Konzept weiter. Die Kolleginnen und Kollegen wollen in Teams bei anderen Teams hospitieren.
Der Aufwand hält sich eigentlich in Grenzen. Alles Organisatorische ist im Vorfeld geklärt. Es gibt eine Art Stundenplan für die Besucherinnen und Besucher für die ganze Woche, bei dem man sich als besuchte Schule an der Handreichung der Robert Bosch Stiftung, die im Netzwerk der Preisträgerschulen für das Programm entstanden ist, orientieren kann. Wir überlegen im Vorfeld, was für die Hospitierenden interessant sein könnte und organisieren auch außerschulische Aktivitäten. Das Feedback tut auch uns gut. Wenn die Besucherinnen und Besucher staunen, was wir geschafft haben, dann ist das eine tolle Wertschätzung unserer Arbeit. Unsere Lehrkräfte profitieren aber auch, indem sie unser Konzept erklären, das schärft die Sinne und schafft auch eine Identifikation mit dem, was wir täglich tun. Beim geselligen Essengehen oder bei anderen gemeinsamen Aktivitäten findet der Austausch nochmal auf einer ganz anderen Ebene statt. Dann fragen wir beispielsweise auch nach, wie es an der anderen Schule so gehandhabt wird, mit einem Thema, was bei uns gerade unter den Nägeln brennt und wo wir noch auf der Suche nach Lösungen sind. Das Wichtigste für uns als besuchte Schule ist es, eine gute Atmosphäre herzustellen, dann ist auch das Feedback aufrichtig und hilfreich.