Der Klimaschutz müsse wieder in den Fokus politischer Programme und Debatten rücken, fordert Klima-Expertin Tabea Lissner. Außerdem werden bürgerliches Engagement und lokale Initiativen immer wichtiger im Kampf gegen den Klimawandel.
Was Klimaveränderung bedeutet, haben die letzten Jahre eindringlich gezeigt: Die verheerenden Brände in Los Angeles, die katastrophalen Überschwemmungen in Spanien oder die zwei Hurrikane, die in Florida innerhalb von nur zwei Wochen massive Verwüstungen anrichteten, sind nur einige Beispiele von vielen Extremen im vergangenen Jahr. Wenn der Verlust von Artenvielfalt und Klimaveränderungen weiter fortschreitet, werden sich unsere Lebensgrundlagen massiv verändern. Dennoch verschiebt sich gerade die politische Auseinandersetzung. Während bei der letzten Bundestagswahl 2021 der Klimaschutz für fast alle Parteien noch ein zentrales Thema war, spielt er aktuell fast keine Rolle mehr – obwohl auch in Deutschland die Folgen des Klimawandels bereits deutlich spürbar sind.
Die Bundesregierung hat sich mit der Unterzeichnung verschiedener globaler Vereinbarungen klar zu einer Zukunft bekannt, in der gesunde Ökosysteme als Grundlage für Wohlstand anerkannt werden. Diese Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft sollte in den Diskussionen während des Wahlkampfes und in den anschließenden Koalitionsverhandlungen unbedingt wieder im Mittelpunkt stehen.
Die Robert Bosch Stiftung unterstützt den aktuellen Aufruf "Kurs halten", mit dem die Aufmerksamkeit von Politik und Medien vor und nach der Bundestagswahl auf den Klimaschutz und eine engagierte Klimapolitik gelenkt werden soll. Denn jede zukünftige Regierungskonstellation trägt Verantwortung für die Einhaltung bereits beschlossener Klimaabkommen.
Die Gestaltung einer solchen Zukunft erfordert grundlegende Veränderungen, zum Beispiel in der Energieerzeugung oder in der Landwirtschaft. Dieser Prozess ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die große Herausforderungen mit sich bringt. Dennoch geht es im Grundsatz nicht darum, ob wir Veränderung wagen – sondern ob wir sie selbst gestalten wollen. Nur wenn wir die Transformation als Chance betrachten und in demokratischen Prozessen gemeinsam eine Vision für die Zukunft entwickeln, können wir es verhindern, durch die massiven Auswirkungen von Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung zu Veränderungen gezwungen zu werden.
„Transformation ist nicht optional. Die Entscheidung liegt darin, ob wir aktiv und gemeinsam eine lebenswerte Zukunft gestalten wollen oder ob wir durch Extremwetter, Artensterben und zunehmende Konflikte zur Veränderung gezwungen werden.“
Drei Aspekte sind dabei zentral: 1) Klimaschutz muss global und lokal umgesetzt werden, 2) Klimaschutz ist nicht (nur) eine Zukunftsaufgabe, und 3) Transformation muss gerecht gestaltet werden.
Klimawandel wird vorwiegend als globaler Prozess wahrgenommen. Während eine internationale Allianz für Klimaschutz weiterhin essenziell ist, sind auch lokale Initiativen zentral, denn die Umsetzung passiert vor Ort. Kommunen brauchen dringend mehr Raum und Ressourcen, um die Transformation vor Ort gemeinsam mit den Bürger:innen voranzutreiben, etwa durch Beteiligungsformate. Wie wollen wir unsere gemeinsamen Räume in Zukunft nutzen? Welche Mobilitätsmuster sind für unsere Kommune relevant? Welche Akteur:innen können vor Ort eine nachhaltige Ernährung sichern? Wie kann der Zugang zu nachhaltiger Energie mit einer gemeinsamen Vorstellung von Landnutzung vereinbart werden? Fragen wie diese treffen den Kern der notwendigen Transformation, sind aber nur auf lokaler Ebene demokratisch zu bearbeiten.
Vorhaben wie die Initiative „Zukunft aufgetischt!“ unterstützen Kommunen dabei, Bürger:innen aktiv in die Gestaltung des Wandels einzubinden. Mit dem Fokus auf Ernährung gibt das von der Robert Bosch Stiftung geförderte Projekt Raum, vorhandene Ideen und gute Praxis zu stärken. Es fördert neben Sichtbarkeit und der überregionalen Vernetzung auch das gemeinsame Lernen. Transformation braucht wirksame Lösungen. Kontinuierliches Lernen darüber, welche Ansätze in der Praxis tatsächlich Erfolg haben und über Regionen hinweg zum gesellschaftlich-ökologischen Wandel beitragen können sind deshalb essenziell, um effektiv zu handeln.
In der Fülle der globalen Herausforderungen wird Klimaschutz weiterhin oft als langfristiges Zukunftsthema gesehen. Wichtige Veränderungsprozesse werden auf später verschoben. Klimawandel verursacht jedoch bereits heute immense Kosten, die bei solchen Entscheidungen nicht in ihrer vollen Tragweite berücksichtigt werden. So sind beispielsweise die steigenden Lebensmittelpreise der letzten Jahre teilweise direkt auf Klimaveränderungen zurückzuführen. Führende Ökonomen zeigen auf, dass Klimaveränderungen bereits heute ein Wohlstandsrisiko darstellen.
„Klimaschutz muss ein zentraler Aspekt von zukunftsorientierter und wohlstandsfördernder Wirtschaftspolitik sein.“
Geschwindigkeit und Umfang des notwendigen Wandels erfordern ohne Zweifel großes Engagement von Akteur:innen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft über alle Ebenen und eine Vielzahl von Handlungsfeldern hinweg. Eine Politik, die sich an Klimaschutz und Nachhaltigkeit orientiert, sollte deshalb die Verbindungen und Synergien zu anderen großen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie einem effektiveres Bildungssystem oder der ganzheitlichen Gesundheitsversorgung, in den Blick nehmen. Auch die gerechte Verteilung der Kosten und Lasten ist ein zentraler Aspekt für eine gelungene Transformation. Dies gilt nicht nur für die nächste Legislaturperiode – Kosten müssen auch langfristig gerecht und sozialverträglich verteilt sein. Gerade dieser langfristige Aspekt muss zwingend mitgedacht werden, denn die schwächsten Teile der Gesellschaft werden die Folgen von unzureichendem Klimaschutz und einer verschleppten Transformation am stärksten zu spüren bekommen.
Sofortiges und umfassendes Engagement - sowohl politisch, also auch gesellschaftlich - ist dringend erforderlich, um katastrophale Auswirkungen zu vermeiden. Der politische Diskurs muss also dringend Klimaschutz wieder als Kernthema aufgreifen. Nur so lassen sich die globalen und lokalen Rahmenbedingungen für ambitionierte Veränderungsprozesse schaffen.