Bericht und Publikation
So gelingt ein Neustart im Gesundheitssystem
Drei Jahre lang haben Bürger:innen sowie Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis gemeinsam im Rahmen der Initiative „Neustart!“ Vorschläge für eine Reform des Gesundheitssystems entwickelt. Auf dem „Neustart! Gesundheitsgipfel wurden nun die Ergebnisse präsentiert – und die Teilnehmenden waren sich einig: Die Reformen müssen jetzt umgesetzt werden.
„Für jede Verbesserung, jede Innovation braucht es gute Ideen“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in seinem Grußwort zum Gesundheitsgipfel der Initiative Neustart! der Robert Bosch Stiftung am 18. Juni 2021 in Berlin. Viele gute Ideen für ein besseres Gesundheitssystem hat die Initiative Neustart! in den vergangenen drei Jahren gesammelt: von Bürger:innen sowie von Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis – in Dialogen, Think Labs und Podien. Aus den Gesprächen, Diskussionen, Ideen und Entwicklungsschritten ist die „Neustart! Zukunftsagenda – für Gesundheit, Partizipation und Gemeinwohl“ entstanden. Sie nennt konkrete Vorschläge und Forderungen für die dringend nötigen Reformen im Gesundheitswesen. „Ihre Zukunftsagenda liefert einen spannenden Diskussionsbeitrag, um das Gesundheitswesen weiterzuentwickeln, um es fit zu machen“, urteilte Spahn in seiner Videobotschaft zu Beginn des Neustart!-Gesundheitsgipfels, zu dem die Robert Bosch Stiftung Vertreter:innen aus Wissenschaft, Praxis und Politik an ihren Standort Berlin sowie virtuell eingeladen hatte. Gemeinsam diskutierten sie über die Ergebnisse der Zukunftsagenda und die Chancen, die sich daraus für das Gesundheitssystem ergeben
„Krankheitssystem statt Gesundheitssystem“
Dabei herrschte unter den Teilnehmenden große Einigkeit. Nicht nur bei der deutlichen Kritik an der aktuellen Situation des Gesundheitswesens, das als „Krankheitssystem“ abgetan wurde, weil es auf die Behandlung akuter Krankheiten gut ausgelegt sei, aber die Förderung der Gesundheit nicht im Blick habe. Die Teilnehmenden stimmten auch darin überein, dass sich etwas grundlegend ändern müsse. „Wir brauchen einen großen Wurf, und nicht wieder weitere kaum verständliche Regulierungen im Kleinen“, so der Tenor von allen Seiten. Einigkeit herrschte auch bei den Forderungen und Vorschlägen für eine Umsetzung hin zu einem besseren Gesundheitssystem. Häufig nickten die Köpfe der Vertreter:innen der Patient:innen und anderer Gesundheitsinitiativen, der Rechtswissenschaftler:innen sowie der Politiker:innen im Einklang. Und wann muss es losgehen? „Jetzt, sofort, bloß nicht wieder warten und aufschieben“, lautete immer wieder die Antwort in den Gesprächsrunden.
Neustart! Reformwerkstatt für unser Gesundheitssystem
Genau diese Punkte sind auch Ergebnisse der Neustart! Initiative, die mit ihren Publikationen zudem konkrete Vorschläge und Empfehlungen liefert, wie das Gesundheitssystem realistisch, auf die Zukunft ausgerichtet und am Menschen orientiert verbessert werden kann. „Das Besondere an Neustart! ist, dass wir die Bürger in den Mittelpunkt gestellt und zugehört haben, was sie sich für die Zukunft des Gesundheitswesens wünschen.“ Mit diesen Worten stellte Dr. Bernadette Klapper von der Robert Bosch Stiftung die Initiative vor. Etwa 700 zufällig ausgewählte Bürger:innen sowie rund 140 Expert:innen hat die Robert Bosch Stiftung gefragt, wie sie sich ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem vorstellen. Zentral sei der Wunsch nach einem solidarischen und patientenorientierten Gesundheitssystem – überall und für jede und jeden. „Wir brauchen jetzt eine Veränderung und eine Ausrichtung auf Gesundheit: auf Prävention, Gesundheitsförderung verbunden mit Gesundheitskompetenz“, fasste Klapper die Ergebnisse der Initiative zusammen. Dafür müssten neue Strukturen geschaffen werden – vor allem in der Region, bei den Menschen vor Ort.
Zu den konkret vorgeschlagenen Maßnahmen der Initiative gehören zum Beispiel die flächendeckende Einrichtung von Primärversorgungszentren, die zum einen die Grundversorgung vor Ort gewährleisten und die darüber hinaus in der Kommune integriert den Menschen in seinen unterschiedlichen Lebenslagen mit passenden Unterstützungsangeboten fachübergreifend helfen – auch mit Präventionsangeboten und Gesundheitsförderung. Der Wunsch nach mehr Partizipation der Bürger:innen könnte mit regionalen Gesundheitskonferenzen in Erfüllung gehen. Insgesamt brauchen Städte und Landkreise mehr Autonomie und Verantwortung im Gesundheitsbereich, so eine Forderung der Zukunftsagenda. Weitere lauten: Mehr Bildung zum Thema Gesundheit, mehr digitale Kompetenz, höhere Investitionen in Gesundheitsberufe: in Spitzenmedizin und Spitzenpflege sowie stärkere interprofessionelle Zusammenarbeit aller Berufsgruppen für eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung.