Philanthropie

Welche Unterstützung die ukrainische Zivilgesellschaft jetzt braucht

Die ukrainische Zivilgesellschaft trägt maßgeblich zur Widerstandsfähigkeit des Landes bei. Wie kann die internationale Gemeinschaft sie am besten unterstützen? Ein Gespräch mit Daniel Busche (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), Orysia Lutsevych (Chatham House) und Markus Lux (Robert Bosch Stiftung).

Interview
Martin Petersen
Fotos
Shutterstock/Sodel Vladyslav; Markus Lux
Datum
17. Februar 2025

Herr Lux, die Robert Bosch Stiftung unterstützt die Ukraine von 2024 bis 2028 mit 20 Millionen Euro. Wohin fließt dieses Geld?

Markus Lux: Direkt an die Zivilgesellschaft in der Ukraine. Wir sehen die Notwendigkeit, die Zivilgesellschaft zusätzlich zur supranationalen und staatlichen Hilfe zu unterstützen. Und wir haben bereits die Kontakte im Land, da wir seit mehr als 30 Jahren mit Förderung in der Ukraine aktiv sind.

Zur Person

Markus Lux

Markus Lux ist Leiter des Sonderbereichs Ukraine der Robert Bosch Stiftung. Im Auftrag der Stiftung verantwortet er seit mehr als 20 Jahren Projekte in Mittel- und Osteuropa.

Sind Bemühungen um den Wiederaufbau und Recovery, also den gesellschaftlichen Heilungsprozess, inmitten eines Krieges sinnvoll?

Lux: Ich denke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um Wiederaufbau und Recovery nach dem Ende der Gewalt zu planen, zu gestalten und zu erproben. Wenn die Gewalt beendet ist, werden diese Prozesse in der Regel sehr schnell von der zentralen staatlichen Verwaltung, internationalen Akteur:innen, Banken für den Wiederaufbau und großen internationalen Unternehmen übernommen. Die Zivilgesellschaft muss darauf vorbereitet sein, um ihren Einfluss zu bewahren. Deshalb unterstützen wir sie schon jetzt. Zusätzlich zu all der Resilienzförderung, die wir leisten.

Frau Lutsevych, was belastet die Menschen in der Ukraine, Ihrem Heimatland, nach drei Jahren Krieg am stärksten?

Orysia Lutsevych: Im Moment ist das vor allem die Erschöpfung, in Unsicherheit zu leben – nicht zu wissen, wie dieser Krieg zu Ende gehen kann. Gleichzeitig gibt es aber auch ein gutes englisches Wort für das, was die Ukrainer:innen haben: Grit [etwa Biss, Standhaftigkeit – Anm. der Red.]. Die Ukrainer:innen halten mit aller Kraft am Leben fest.

Zur Person

Orysia Lutsevych

Orysia Lutsevych ist Leiterin des Ukraine-Forums der Londoner Denkfabrik Chatham House. Ihre Forschung fokussiert auf die Rolle der Zivilgesellschaft beim demokratischen Wandel in Osteuropa, sowie in jüngster Zeit auf die Resilienz von Gesellschaften. Lutsevych ist ukrainische Staatsbürgerin. Sie war die erste Robert-Bosch-Stipendiatin der Academy for Leadership in International Affairs von Chatham House (2011-2012).

Wie äußert sich diese Eigenschaft?

Lutsevych: Sie versuchen, was in ihrer Macht steht, um unter den Bedingungen dieser schrecklichen Invasion so viel normales Leben wie möglich zu bewahren. Sie bringen ihre Kinder zur Schule, gehen in Cafés, kaufen Bücher, gehen ins Theater.

Herr Busche, Ihre Organisation, die GIZ, hat ihren ukrainischen Hauptsitz in Kyjiv und betreibt 40 Regionalbüros im ganzen Land. Wie haben sich die Resilienz und der soziale Zusammenhalt in den lokalen Gemeinschaften seit 2022 entwickelt?

Daniel Busche: Wir arbeiten mit fast allen ukrainischen Kommunen im ganzen Land zusammen und sind daher nah an den Bedürfnissen der Menschen. Und wir beobachten, dass das Gefühl der Solidarität und Einheit, das zu Beginn der Vollinvasion sehr stark war, allmählich erodiert. Studien zeigen, dass die Zustimmung für den Präsidenten und seine Arbeit abnimmt. Nach Beginn der Invasion lag sie bei 90 Prozent, im Laufe der Zeit ist sie auf 60 Prozent gesunken. Das ist zwar immer noch eine hohe Zustimmungsrate, aber sie zeigt einen gewissen Trend. Und dieser Trend spiegelt sich auch in stärker auseinandergehenden Meinungen innerhalb der Gesellschaft wider. Dadurch wird der soziale Zusammenhalt beeinträchtigt.

Zur Person

Daniel Busche

Daniel Busche ist Landesdirektor der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der Ukraine und leitet dort ein Team von 600 internationalen und nationalen Expert:innen. Die GIZ ist seit 1993 in der Ukraine tätig und führt Projekte im Auftrag der deutschen Regierung, der Europäischen Union und einer Reihe europäischer Mitgliedsstaaten durch.

Wie deckt sich dieser Trend mit Ihren persönlichen Erfahrungen?

Busche: Mein Team und ich erleben, dass es zunehmend Diskussionen darüber gibt, wie die Zukunft des Landes aussehen könnte. Natürlich wollen alle, dass dieser brutale Krieg endet, aber jeder ist von den Auswirkungen unterschiedlich betroffen. Diejenigen, die ihre Heimat verloren haben und fliehen mussten, oder diejenigen, die Partner:innen, Eltern, Geschwister oder Freund:innen an der Front haben, haben vielleicht eine ganz andere Sichtweise als diejenigen, die weniger direkt und persönlich betroffen sind. Internationale Partner:innen wie die Robert Bosch Stiftung können lokale Initiativen und andere Akteur:innen dabei unterstützen, einen Diskurs anzustoßen, in dem die unterschiedlichen Sichtweisen zum Ausdruck kommen, und in dem eine gemeinsame Vision für die Zukunft der Ukraine gesucht und gestaltet wird.

Lutsevych: Tatsächlich gibt es seit der Vollinvasion sehr ähnliche Erfahrungen überall im Land. Es ist nicht so, dass das, was die Menschen in Odessa erleben, für die Menschen in Lviv irrelevant ist. Wenn man zu Beginn des Krieges jemanden fragte: „Wie geht es deiner Familie?“, lautete die typische Antwort: „Meine Familie besteht aus 42 Millionen.“ Diese Art von Zusammenhalt ist, meine ich, unverändert. Es gibt eine überwältigende Unterstützung für Selenskijs Streben nach einem gerechten und dauerhaften Frieden. Auch wenn man sich vielleicht nicht einig ist, wie dieser erreicht werden soll.

Ein Zug hält in einem Bahnhof
Eindrücke aus der Ukraine: Die Eisenbahn verbindet die Menschen im Land – sie fährt vom Westen bis in die Frontgebiete im Osten

Herr Lux, was sind denn die wichtigsten Faktoren für die Resilienz der ukrainischen Gesellschaft?

Lux: Zunächst einmal ist die Rolle der Zivilgesellschaft ganz entscheidend für die Ukraine. Ich möchte dies mit einem kurzen Beispiel verdeutlichen. Es ist eines der Ziele Russlands, die ukrainische Kultur zu zerstören – buchstäblich die Theater, Bibliotheken, Denkmäler. Die ukrainische Regierung hat getan, was sie konnte, um Kulturgüter zu retten, doch sie hatte nur genug Mittel, um dies in einigen größeren Städten zu tun. Für die westliche Stadt Iwano-Frankiwsk und ihre Umgebung wurde die zivile Organisation Insha Osvita beauftragt, die Kulturgüter zu retten. Hier trat also die Zivilgesellschaft auf den Plan und übernahm eine Aufgabe, die von den staatlichen Stellen nicht bewältigt werden konnte.

Dann möchte ich noch die Freiwilligenbewegung erwähnen, die die Kämpfer an der Front direkt mit allem versorgt, was sie brauchen. Sie transportieren teilweise Waffen und Munition, vor allem auch Lebensmittel und Kleidung. All dies wurde in den letzten drei Jahren hauptsächlich von der Zivilgesellschaft organisiert. Und das gibt den Menschen natürlich ein starkes Gefühl der Selbstwirksamkeit. Sie sehen, dass sie zu einem gemeinsamen Ziel beitragen können, und das trägt zum Zusammenhalt bei: einem Zusammenhalt, der horizontal gewachsen ist und nicht von oben aufgezwungen wurde. Das ist gut.
 

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Lutsevych: Wir beobachten, dass die Mitwirkung der Zivilgesellschaft am Wiederaufbau zum sozialen Zusammenhalt und zur Resilienz beiträgt. Das haben 76 Prozent der regionalen Organisationen in der jährlichen Umfrage von Chatham House bestätigt. Es schweißt die Menschen zusammen, den Kampf zu unterstützen oder etwas für ihre Gemeinschaft zu tun. Sie bauen zum Beispiel Schutzräume für Schulen, damit weiter gelernt werden kann. Dann gibt es mehrere Gruppen, die dabei helfen, Unterkünfte für hilfsbedürftige Menschen zu reparieren, die durch Drohnen beschädigt wurden. Diese Arbeit findet oft während der Schulferien statt, wie ein Sommercamp. 

Außerdem wird organisiert, dass sich Bürgerinnen und Bürger zusammensetzen, zum Beispiel im Rathaus, um zu überlegen, wie sie ihre Gemeinde in Zukunft wieder aufbauen wollen. Dies ist ein sehr wichtiges Beispiel dafür, dass schon jetzt, während des Krieges, etwas getan werden kann. Man braucht Lichtblicke in dieser dunklen Zeit. Und das Gefühl, dass die eigenen Taten etwas bewirken, ist psychologisch sehr stärkend.

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Bevor wir weiter in die Details eintauchen, Herr Busche, nur ganz grob: Wie setzt sich die Zivilgesellschaft in der Ukraine zusammen?

Busche: Es gibt eine Fülle von organisierten, strukturierten, aber auch halborganisierten und ganz informellen Initiativen. Darunter sind einige sehr fähige, sehr fortschrittliche und professionelle Organisationen mit einer langen Erfolgsbilanz. Die brauchen zwar nicht die gleiche Unterstützung wie beispielsweise eine informelle Gruppe, die ganz nah an der Front arbeitet. Doch Partner wie die Robert Bosch Stiftung und die GIZ können eine wichtige Rolle spielen, indem sie diese erfahrenen Organisationen dabei unterstützen, Mentor:innen zu werden. Die können dann ihrerseits den weniger fortschrittlichen Initiativen helfen, zu wachsen und sich Gehör zu verschaffen.

Lutsevych: Die ukrainische Zivilgesellschaft ist wie ein Zoo. Es gibt alle Arten von Tieren.

Lux: Der Zoo ist ein gutes Bild. Ich bin auch beeindruckt, wie sich etablierte Organisationen an die Situation angepasst haben. Zum Beispiel die Rokada-Stiftung, die 21 Jahre alt ist und fast überall in der Ukraine Zweigstellen hat. Sie wurde für die Integration von syrischen, afghanischen und anderen Geflüchteten gegründet. Ab 2022 wurde sie besonders in der Thematik der Binnenvertriebenen zu einem verlässlichen Partner für internationale Geber. Sie hat zahlreiche Räte für Binnenvertriebene ins Leben gerufen, um diesen Menschen Teilhabe auf lokaler Ebene zu ermöglichen. Und jetzt konzentriert sich Rokada auf die Unterstützung von Ukrainer:innen, die aus dem Ausland zurückkommen. Die können oft nicht in ihre Heimatstädte zurückkehren, weil sie noch immer besetzt oder zerstört sind.
 

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Unser Ansatz, unsere Projekte

Uns verbinden seit mehr als 30 Jahren enge Beziehungen zu Partner:innen in der Ukraine. Seit dem russischen Angriffskrieg haben wir unser Engagement verstärkt und fokussieren auf die Förderung zivilgesellschaftlicher Akteur:innen in der Ukraine, die entscheidend zum Zusammenhalt im Land beitragen.

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Wie gehen Sie mit dieser Fülle an heterogenen Akteur:innen um – und wo kann die Unterstützung aus dem Ausland am besten ansetzen?

Lux: Wir haben einen Schweizer Kollegen, der einen sehr guten Begriff geprägt hat: „hambitious“. Das bedeutet sowohl demütig  als auch ehrgeizig. Und genau das müssen wir als westliche Geber:innen sein: ehrgeizig in unserem Handeln, in der Unterstützung der Strukturen vor Ort, aber mit Demut  in unserem Auftreten. Wo setzen wir nun die Unterstützung an? Am einfachsten ist es, sich international etablierte Organisationen mit einer langen Erfolgsbilanz zu suchen. Aber es ist auch möglich, kleinere Organisationen und Bewegungen zu unterstützen. Zuallererst sollte man offen sein für die Erwartungen, Bedürfnisse und Bedingungen der lokalen Partner:innen, und dann erst handeln. Wenn Sie mich jetzt fragen, wie man die Unterstützung am besten organisiert, dann denke ich, dass man sich auf die lokale Ebene konzentrieren sollte, und diejenigen unterstützt, die ich die Vermittler:innen vor Ort nenne. Denn sie garantieren, dass die lokalen Akteur:innen zusammenarbeiten. Und das ist etwas, was wir nicht von außen tun können.

Was ist noch nötig, damit internationale Organisationen ihre Arbeit in der Ukraine verbessern können?

Lux: Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir unsere Aktivitäten bündeln und voneinander lernen. Und das ist etwas, was die Robert Bosch Stiftung und die Charles Stewart Mott Foundation aus den USA anbieten. Wir bauen eine Plattform auf, „Foundations for Ukraine“, auf der wir lernen und Ideen austauschen können, vielleicht Mittel bündeln, sowie über die Vereinfachung der rechtlichen Bedingungen und der Berichtsführung nachdenken können. Aber während wir dies tun, gehen die privaten Finanzhilfen für die Ukraine immer weiter zurück. Das liegt daran, dass der Begriff Soforthilfe für die Vorstände vieler Stiftungen und anderer philanthropischer Geber:innen nach drei Jahren Krieg nicht mehr zu rechtfertigen ist. Deshalb ist der nächste Schritt entscheidend: Die Ukraine muss Teil der regulären Finanzierung von Stiftungen werden, damit ukrainische Partner:innen sich einfach für Programme in Europa bewerben können. Viele private Organisationen sind immer noch nicht offen für Anträge aus der Ukraine.

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Frau Lutsevych, Sie haben bereits die Studie über die Bedürfnisse der ukrainischen Zivilgesellschaft von Chatham House erwähnt. Welche Art von Unterstützung ist denn für die ukrainischen Organisationen am dringendsten?

Lutsevych: Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass die ukrainische Zivilgesellschaft proaktiv ist. Sie wartet nicht darauf, dass Partner:innen auf sie zukommen. Die Menschen sehen, was es zu tun gibt, und sie handeln. Sehr oft beginnen sie als informelle Gruppen, wie sie Daniel beschrieben hat, die etwa aus einem Facebook-Fundraising hervorgehen. Doch dann stellt sich die Frage, wie man die Sache systemisch lösen kann. Wie schafft man es, dass Hilfe oder Dienstleistungen mehr Menschen erreichen? Wenn zum Beispiel eine zivilgesellschaftliche Gruppe ein gutes Programm für Kinder entwickelt hat, um nach der Schule gemeinsam etwas zu unternehmen, wie schafft man es, dass diese Lösung an allen Schulen mit ähnlichen Bedürfnissen eingeführt wird? Oder wie kann man moderne Rehabilitationsangebote für mehr Veteran:innen zugänglich machen?

Ich denke, die Ukraine kann einen echten Sprung machen, indem sie diese Erfahrungen von Menschen in der Krise in einen systemischen Wandel überträgt. Und Geldgeber:innen wie die Robert Bosch Stiftung können dabei helfen, Modelle zu entwickeln und zu testen. Aber das wird immer noch nicht ausreichen, denn es braucht noch einen dritten Schritt, und das ist ein Markt oder die Übernahme durch den Staat. Jede gesellschaftliche Veränderung setzt voraus, dass sie entweder nationale Politik wird, die aus dem Staatshaushalt finanziert wird, oder zu einem Markt, der aus eigener Kraft bestehen kann.

Wie wichtig ist es, die Erfahrungen dieser Gesellschaft mit Krieg und Wiederaufbau zu dokumentieren und weiterzugeben?

Lux: Erstens ist es wichtig für die Ukraine. Wenn ich mit Ukrainerinnen und Ukrainern spreche, höre ich oft: „Wir wollen etwas zurückgeben.“ Damit meinen sie, dass sie das, was sie gelernt haben, teilen wollen. Und das ist für uns absolut sinnvoll. Lassen Sie mich ein Beispiel geben. Die Ukraine ist das einzige Land, von dem ich weiß, dass es jemals offen über mentale Gesundheit und psychosoziale Unterstützung während des Krieges gesprochen hat. Das Problem ist riesig, und das nationale Gesundheitssystem bietet hier keine Lösung. Stattdessen müssen die Ukrainer:innen kommunale Lösungen finden; und sie sind bereits dabei, diese zu entwickeln. Einen solchen kommunalen Ansatz werden wir aus Chmelnyzki in die deutsche Partnerstadt Stuttgart bringen und damit einen Wissenstransfer ermöglichen.

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Werfen wir zum Schluss noch einmal einen Blick auf die ukrainische Gesellschaft als Ganzes. Woraus schöpfen die Ukrainer:innen die meiste Kraft?

Lutsevych: Sie haben immer noch einen sehr starken Glauben an die Ukraine. An die Armee, an die ukrainische Kreativität und an die Tatsache, dass sie so lange erfolgreich Widerstand geleistet haben. Diesen Glauben schöpfen sie auch aus ihrem Aktivsein füreinander, über das wir gesprochen haben. Wissen Sie, es gibt eine Sache, die im Westen oft nicht verstanden wird, und das ist der sehr horizontale Charakter der ukrainischen Gesellschaft. Er geht auf das koloniale Erbe der jahrhundertelangen russischen Imperialherrschaft zurück, in der das Zentrum immer eine Bedrohung darstellte. Die Solidarität innerhalb der Gemeinschaft ist deshalb schon immer horizontal verlaufen, auf eine sehr moderne Art und Weise. Das macht die ukrainische Gesellschaft stark, sie ist fast eine Blockchain.

Lux: Bei meinen vielen Begegnungen und Gesprächen mit Ukrainer:innen habe ich festgestellt, dass ihre Handlungen auf grundlegenden Werten beruhen. Nicht nur auf dem Wert der Solidarität. Selbst unter den kompliziertesten Umständen versuchen sie, Recht und Gesetz zu wahren. Es beeindruckt mich zutiefst, dass ein Land, das unter einem solchen Druck steht, diese elementaren Werte aufrechthält.

Busche: Was mich beeindruckt, ist, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer ein sehr klares Bild, eine Vision von der Zukunft ihres Landes haben: Sie liegt in der EU. Bei all unseren Aktivitäten ist dies das oberste Ziel unserer ukrainischen Partner. Und die Vision, Teil der EU zu werden, hat sich während des Krieges überhaupt nicht verändert, sie ist nach wie vor eine wichtige Quelle für die anhaltende Resilienz. Ein weiterer Punkt ist, dass die Ukrainer:innen wissen, dass dieser Krieg nicht einfach verschwinden wird. Sie sind entschlossen, für ihre Souveränität zu kämpfen und ihre Werte zu verteidigen. Und noch ein letzter Punkt: Dieser Krieg findet vor unserer Haustür statt, und er darf sich nicht weiter ausbreiten. Aus diesen Gründen bin ich überzeugt, dass unsere gegenwärtigen gemeinsamen Anstrengungen einen Unterschied machen.
 

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